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Passion
1. Eine besondere Zeit
Passion, nach dem lateinischen Wort „passio“ für Leiden, ist die Zeit des Leidens und Sterbens Jesu. Von Anfang an mussten sich die Christen mit der Frage auseinandersetzen, warum Jesus gestorben ist und welche Bedeutung sein Tod für den christlichen Glauben hat. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Gott hat den Tod besiegt, indem er seinen Sohn geopfert und wieder auferstehen lassen hat. Hieraus haben bereits die Jünger Jesu die Hoffnung geschöpft, dass alles irdische Leiden und Sterben nur vorübergehend sei und sich letztlich in dem großen Sieg Gottes über Leid und Tod auflöst. Deshalb zeigten die Kreuzigungsdarstellungen der ersten christlichen Jahrhunderte einen strahlenden Jesus ohne Blut und Nägel, der nicht gebrochen am Kreuz hing. Dass aber Jesus besonders qualvoll gestorben ist, konnten auch die Bilder des aufrechten Jesu nicht gänzlich verdecken. Deshalb kam ab dem 13. Jahrhundert ein neuer Gedanke der tiefen Liebe Gottes zu uns Menschen hinzu, die so weit ging, seinen eigenen Sohn diesen qualvollsten Tod auf sich nehmen zu lassen. Gott zeigt damit, dass nichts zwischen ihm und uns Menschen steht - komme, was wolle. Römer 8, 39: „Ich bin mir gewiss, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes. Was immer auch geschieht, Gott wird da sein.“ (Gedanken nachzulesen in EKD.de, Stichwort „Passion“)
2. Selbstreflexion, eigenes Hinterfragen.
Die Passionszeit kommt mir bei vielen vor wie eine Art Buß- und Askeseprogramm, eine Zeit des Verzichts auf Annehmlichkeiten, beispielsweise Alkohol oder Süßigkeiten. Dagegen lässt sich nichts sagen - dem Körper, vielleicht auch dem Geist wird etwas Gutes getan. Im Hinblick auf das Hinterfragen der eigenen Beziehung zu Gott und der Einstellung zum eigenen zukünftigen Lebensende erscheint mir dies etwas zu kurz gesprungen. Vordergründig geht es nicht um Verzicht, im Gegenteil:
Diese Zeit bietet die Möglichkeit der Besinnung, der Ruhe, des Nachdenkens über die eigene Beziehung zu Gott oder das eigene Leben und seine Endlichkeit.
3. Realität: keine Ruhe, sondern Konflikte.
Ebenso wie zur Zeit von Jesu Wirken, scheint die heutige Zeit alles andere als konfliktfrei. Arbeitskämpfe, Egoismus Hasstiraden gegen Politiker im Inneren - der Wille zum Kompromiss scheint zu fehlen. Russlands Krieg gegen die Ukraine dauert seit zwei Jahren an, ein Ende ist nicht in Sicht. Der Angriff der Hamas auf Israel mit Geiselnahmen, Massakern an Konzertbesuchern und Bewohnern von Kibbuzim, die Reaktion der israelischen Armee im Gazastreifen mit furchtbaren Leiden der Bevölkerung, sogar die Gefahr, des Verhungerns von Kindern. Lösungsvorschläge? Keine in Sicht. Auf Konflikte folgen stets Verhandlungen - entweder wenn beide Seiten erschöpft, oder eine Seite besiegt ist. Letzteres wäre allerdings fatal, weil dann auf Seiten des Unterlegenen eine neue Generation gewaltbereiter Jugendlicher herangezogen werden würde. Dennoch bin ich als Christ unverbesserlicher Optimist und wünsche eine besinnliche, gesegnete Passionszeit.
Karlheinz Gräwe